Der schottische Schriftsteller John Niven, selbst ein begeisterter Golfspieler, äußert sich in einem Interview über die Leidenschaften im Golfsport und die tieferen Hintergründe der jüngsten Affären des amerikanischen Golf-Stars Tiger Woods, die sein Image als vorbildlicher Mustergolfer ins Wanken gebracht haben.

Golf ist nach Nivens Beobachtungen und eigenen Erfahrungen ein Sport, den jeder Golfspieler sehr persönlich nimmt, da er die Grenzen der eigenen Möglichkeiten schnell offenbare. Gerade mit zunehmendem Alter muss sich jeder Golfer mit dieser Erkenntnis arrangieren. Im Gegensatz zu den meisten anderen Sportarten muss ein Golfer jedes einzelne Frustrationserlebnis mit sich selbst austragen, da es beim Spielen keinen direkten Gegner gibt. Dadurch entstehen extreme Reaktionen der Spieler auf den Bahnen, für die es auch in den großen Golfturnieren immer wieder Beispiele gibt. Zertrümmerte Werbetafeln, verbogene Schläger und zahllose Strafen wegen Fluchens seien an der Tagesordnung.

Auf Tiger Woods als gegenwärtigem Star der Golfszene lastet nach der Einschätzung von Niven ein außergewöhnlicher Druck. Durch seine Leistungen galt er als Repräsentant für den Golfsport als Gentleman-Sport, als Sportart des vorbildlichen Verhaltens. Tiger Woods sei jedoch eine leidenschaftliche Persönlichkeit, der durch den engen zeitlichen Zusammenhang zwischen Verletzungspech, der Geburt seiner Kinder und dem Tod seines Vaters emotional besonders aufgewühlt war. Dass sich dieser Zustand in der ein oder anderen Form nach außen entladen würde, sei unabdingbar und nur eine Frage der Zeit gewesen. Dass Tiger Woods als Weltstar unter permanenter Beobachtung der Öffentlichkeit stand, habe die Situation für ihn nicht leichter gemacht.

Auch wenn der Golfsport von außen betrachtet als besonders zivilisiertes Spiel gelte, können nur Insider beurteilen, welche emotionale Energie sich beim Spielen anstaue. Für die Kritik vom Golfkollegen Jesper Parnevik an Tiger Woods hat Neven weniger Verständnis. Man solle dem Golfstar vielmehr eine Auszeit gönnen, um die Dinge wieder in den Griff zu bekommen.